Atemtherapie unterscheidet zwischen der Therapie der Atmung (= klinische, ärztliche Atemtherapie) und der Therapie mit dem Atem (= Atemtherapie als Selbsterfahrung/Selbsthilfe).

Die klinische (ärztliche) Atemtherapie befasst sich mit den Krankheiten und Funktionsstörungen von Lunge und Stimmapparat. Sie arbeitet sowohl prophylaktisch als auch nachbehandelnd. Die Atemtherapie hat als hauptsächliche Ziele die folgenden:

  1. Pneumonieprophylaxe
  2. Sekretlösung und -transport
  3. Stabilisierung/Aufbau eines stabilen Bronchialsystems, insbesondere bei obstruktiven Erkrankungen (Chronische Bronchitis, Asthma etc.)

Wirkung

Eine effektive Atemtherapie soll zum Abbau atemhemmender Widerstände, Abbau von Fehlatembewegungsformen, zur Sekretlösung, zur Ventilationssteigerung, zur Kräftigung der Atemmuskulatur und zu einer allgemeinen Leistungssteigerung beitragen.

Atemtherapie als Selbsterfahrung/Selbsthilfe

Atemtherapie zählt auch zu den sogenannten „Alternativen Heilverfahren“

Die Anwender gehen davon aus, dass von allen Körperfunktionen des Menschen der Atem am intensivsten mit allen anderen Ebenen des Menschen verknüpft ist. In der Formatio Reticularis, einem komplex vernetzten Zentrum in der Tiefe des Stammhirns, strömen alle Informationen zusammen, die im Körper bzw. Gehirn entstehen. Jeder kleine Reiz, von außen oder innen kommend, verändere die Art und Weise zu atmen. Mit der Arbeit am Atem könne deshalb, so lautet die These, auch jede Ebene des Menschen erreicht und harmonisiert werden.

  • Die Atmung reagiere sehr empfindlich und unmittelbar auf psychische und physische Veränderungen. Zugleich sei sie die einzige Körperfunktion, die auch willentlich gesteuert werden kann, obwohl sie ununterbrochen unwillkürlich abläuft.
  • Es bestünden mechanische und nervliche Wechselwirkungen zwischen der Atembewegung und zahlreichen Körperorganen und deren Funktionen;
  • die Atembewegung beeinflusse die Herzfunktion und den Blutkreislauf; Sauerstoffversorgung, Kohlendioxidspiegel, Ionenkonzentration und damit den Stoffwechsel
  • Die Atmung beeinflusse auf der Ebene des Zentralnervensystem die Bewusstseinsvorgänge des Menschen und damit sein Empfindungs- und Gefühlsleben.

Es gibt zahlreiche Formen der Atemtherapie, die sich weniger in ihrer Zielrichtung, als in ihrer Methodik unterscheiden. So arbeiten einige Methoden mit dem sogenannten „unbewussten Atem“ des Klienten, andere mit dem „willentlichen Atem“ oder dem „zugelassenen Atem“.

Varianten der Atemtherapie

  • Atemarbeit nach Cornelis Veening: Eine auf der Psychologie C.G. Jungs basierende Atemtherapie, die über eine leib-seelische Entwicklung einen Weg von „innen nach außen“ anbietet, damit „der Mensch das werde, was er sein soll“.
  • Atemarbeit nach Herta Richter: Sie basiert auf der Erfahrung, dass die Entwicklung des eigenen Atems Verbindungen zum innersten Wesen ermöglichen kann.
  • Atem-, Stimm- und Sprecherziehung nach der Methode nach Schlaffhorst und Andersen: Der Atem wird als Bindeglied zwischen der vegetativen und der somatischen Ebene des Klienten gesehen. Es wird eine Verbesserung der Atmung, der Stimme und der Bewegung angestrebt.
  • Atem- und Leibtherapie nach Graf Dürckheim: Der Klient wird angeleitet, sich seinen Verhaltensmustern und Ängsten zu stellen, um damit einen Neubeginn zu ermöglichen. Dabei soll der Leib als „beseelter Körper“, der mit der Psyche eine Einheit bildet, erfahrbar gemacht werden.
  • Buteyko-Methode: ein Verfahren, das die Patienten zum bewussten Wenigeratmen anleitet und so asthmatische Beschwerden lindern möchte.
  • Erfahrbarer Atem nach Ilse Middendorf: Es wird mit dem so genannten „zugelassenen Atem“ gearbeitet und mit der Erfahrung, dass zwischen „Atem, Sammlung und Empfindung“ eine gegenseitige Wechselwirkung besteht, die bei gleichzeitiger Balance zwischen „Hingabe und Achtsamkeit“ eine bewusste Entwicklung aller Ebenen (je nach Hinwendung) des Klienten möglich machen soll.
  • Eutonie nach Gerda Alexander: Die Eutonie (= richtige Spannung) arbeitet mit dem unbewusst verlaufenden Atem des Klienten. Dabei soll ein harmonischer Ausgleich entstehen zwischen Verspannungen (Hypertonie), die gelöst und Erschlaffungen (Hypotonie), die gespannt werden.
  • Funktionelle Atemschulung nach Julius Parow und Margot Scheufele-Osenberg: Ausgehend von den Gegebenheiten einer logischen naturwissenschaftlichen Erkenntnis über die Bewegungen des Zwerchfells und die das Zwerchfell unterstützenden muskulären Abläufe des Körpers, stellt sie die natürliche Atemfunktion wieder her.
  • Holotropes Atmen nach Stanislav Grof: vertieftes Atmen (Hyperventilation) öffnet Blockaden und wirkt kathartisch. Transpersonale Erfahrungen und eine Verbindung zum „inneren Heiler“ und „höheren Selbst“ werden möglich.
  • Integratives Atmen: Der Atem wird als Weg zur Verbindung von Körper, Seele und Geist genutzt. Elemente verschiedener Schulen der Atemtherapie und Atemarbeit werden spezifisch auf die Problemlage und den inneren Entwicklungsstand des Hilfesuchenden angepasst. Auch andere psychotherapeutische Methoden werden mit der Atemerfahrung verknüpft.
  • Intuitives Atmen nach Karl Scheerer: Eine Atemmethode mit stark meditativem Charakter, die die Elemente der biografisch geprägten Psyche und des Körpers mit spirituellen und transpersonalen Bereichen verbinden soll.
  • Pranayama gehört als Bestandteil des Yoga zu den ältesten Atemtherapien. Die Ursprünge gehen bis auf die Upanishaden zurück.
  • QuantumLightBreath ist an Vipassana angelehnt. Vertieftes Atmen (Hyperventilation) öffnet Gefühls-Blockaden und wirkt kathartisch. Gleichzeitig wird Gelassenheit geübt.
  • Qigong: Das Qigong (qi = Atem, gong = Fertigkeiten erwerben) basiert auf der traditionellen chinesischen Medizin. Ziel ist die Harmonisierung von Atem, Geist und Körper.
  • Vokalatmung: Die Vokalatmung bzw. das Vokalsingen stammt aus indischen Jogaübungen und wurde im Westen weiterentwickelt, um einen natürlichen Bezug zu Atem, Körper und Bewusstsein herzustellen. Es wird in der Psychotherapie verwendet und wird daneben zur Stimmbildung genutzt, da die Stimme „geklärt“ und gekräftigt wird.